Einführung
Andreas Wachter, 1951 geboren, aufgewachsen im Chemnitzer Arbeiterviertel Sonnenberg, ging 1974 als ausgebildeter Schrift- und Plakatmaler nach Leipzig an die Hochschule für Grafik und Buchkunst, um bei Volker Stelzmann und Arno Rink Malerei zu studieren. Die solide, konsequent handwerkliche Ausbildung an der Leipziger Kunsthochschule in jener Zeit, die figürliche Themen ganz in den Mittelpunkt stellte, wurde ihm zur Grundlage seines Schaffens. Die während des Studiums vermittelte Kunst- und Malereigeschichte sollte ebenso zum unverzichtbaren Resonanzboden seines künstlerischen Denkens werden. Andreas Wachter hat die Bilderwelt der großen Leipziger Figurenmaler, zu denen er zweifelsfrei gehört, die für Außenstehende wie eine geheime Bibliothek oder ein opulenter Fundus vorzustellen ist, intensiv aufgenommen, verinnerlicht und für sich weiterentwickelt.
Anfang der 1980er Jahre zog sich Andreas Wachter mit der Familie nach Erlln zurück, einem kleinen Dorf an der Freiberger Mulde, nahe der Stadt Colditz. Dort entfaltete er in über vier Jahrzehnten ein beachtliches malerisches Werk, inzwischen erweitert durch die seit etwa 2005 hinzugetretenen plastischen Arbeiten, meist Bronzen oder farbig gefasste Terrakotten. Bilder des Muldentals findet man in seinem Werk vergleichsweise selten. Es scheint fast so, als biete die Welt mehr Zuflucht als das heimische Dorf am Fluss, dessen scheinbare Idylle die Kraft der Naturgewalt erst vor wenigen Jahren während eines schweren Hochwassers sichtbar machte. Es ist das unbekannte Terrain, das Andreas Wachter reizt, das ihn zum genauen Hinsehen anregt und zu neuen Bildern inspiriert. Seine Werke führen den Betrachter nach New York, Venedig, Siena und Bologna, auf die Inseln Rügen und Sylt oder in die Weiten Islands. Besonders Italien wurde nach dem Fall der Mauer zu einem wichtigen Reiseziel und wesentliche Inspirationsquelle für sein künstlerisches Schaffen. Hier ist der allseits spürbare Einfluss der Antike, des Manierismus und des Barock auf seine Kunst prägend.
Figur und Landschaft sind die zentralen Themen in der Malerei von Andreas Wachter. Die Thematisierung des unmittelbaren Umfeldes des Malers, seien es Mitglieder der Familie oder die Landschaft um Erlln, ist als Modellersatz zu verstehen. Als ob in diesem nur scheinbar kleinen Lebensausschnitt das ganze Mirakel der Existenz viel deutlicher aufleuchten mag als in vielen der historienhaften Panoramen, die für andere Leipziger zu einem Markenzeichen wurden.
Gemälde wie »Golfplatz« oder »Fäden ziehen« bleiben bewusst sperrig, leben von einer selbstverordneten Verrätselung und gerade darin liegt ihr fordernder Reiz. Der Künstler bietet uns in der Regel kein Narrativ als Erklärung für eine Situation oder Figurengruppe an. Ein erzählerischer Handlungsablauf wird so nur in Ansätzen deutlich, ist eher erahn-, denn benennbar. Man könnte es »Weltgefühl« nennen, ein Verweben von Privatem mit Gesellschaftlichem. Eine Synthese aus verdichteten Erfahrungen des eigenen Lebens, Stationen der Biografie, ihren sozialen und kulturellen Bezügen, den eigenen sinnlichen Erlebnissen und Selbstbeobachtungen vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte. Andreas Wachter filtert und bündelt all diese Themen und arbeitet dann einzelnes, für ihn besonders Relevantes mit der Schärfte eines Skalpells heraus. Dabei spielt er nicht die Rolle des prophetischen Aufklärers. Seine Bilder greifen nicht plump aktuelle Themen auf, sie lassen höchstens Assoziationen zu, Stimmungen oder Erinnerungen aufblitzen, sie sind zeitlos und damit langfristig überlebensfähig.
Nicht nur in den Figurenbildern beweist der Künstler seine Vorliebe für Vielschichtigkeit. Landschaftsgemälde wie »Morgen« oder »Zicker« wohnen Melancholie und poetische Schönheit inne, anderen wie »Winterrand« oder »Börde« spürbare Unruhe und beklemmende Tristesse. In diesen vergleichsweise stillen und suggestiven Werken offenbart sich das gesamte Spannungsfeld seiner Malerei.
Andreas Wachter hat als wichtige Brückenfigur zwischen den Leipziger Generationen seine Haltung zur Malerei bewahren und behaupten können. Seine künstlerische Meisterschaft gründet auf malerischer und zeichnerischer Virtuosität, einem beeindruckenden Verständnis für Raum und Farbe, Hell und Dunkel sowie auf einer unbeirrten Hinwendung zur menschlichen Figur und einem Leidenschafts-Momentum, das frappiert und berührt. In den Gemälden von Andreas Wachter – seien es programmatische Bilder, seien es Familientableaus, alltägliche Szenerien bis hin zu Sehnsuchts- oder Seelenlandschaften – teilen sich allenfalls Stimmungen mit. Seine Bilder sind nicht dechiffrierbar, wollen sich nicht in Bilddeutungen entleeren. Ihr Geheimnis ist vor allem eines: Diese wunderbare, sinnliche und virtuose, das Bildwissen der Jahrhunderte zelebrierende Malerei, stets die Frage nach Illusion und Wirklichkeit stellend.