Max Beckmann

Der mentale Zusammenbruch des jungen Malers Max Beckmann in der ersten großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts Schlüsselwerk für diese Wandlung vom alten zum neuen Beckmann die 1916 begonnene und unvollendet gebliebene "Auferstehung", in der sich die gedrängte Raumordnung, die verkeilten Flächenbeziehungen und die teils deformierende Figurenbehandlung, chiffrenhafte Verkürzung

Max Beckmann

Vita

1884 in Leipzig geboren
1895 Umzug der Familie nach Braunschweig und Tod des Vaters
1900/1901 nach Ablehnung der Königlichen Akademie der Bildenden Künste Dresden Studium an der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar
1903 erste Reise nach Paris
1904 Umzug nach Berlin
1906 Heirat mit Minna Tube, die das 1907 errichtete Atelierhaus in Berlin-Hermsdorf entwirft
Auszeichnung und Stipendium der Villa Romana in Florenz
1908 Geburt des Sohnes Peter
1914/1915 im Ersten Weltkrieg zunächst als freiwilliger Krankenpfleger in Ostpreußen, dann als Sanitätssoldat in Flandern und Straßburg völliger psychischer Zusammenbruch und Entlassung
1925 Heirat mit Mathilde von Kaulbach, die er liebevoll Quappi nennt
Teilnahme an der Ausstellung »Neue Sachlichkeit« in der Kunsthalle Mannheim
1925-1930 Leiter eines Meisteratelier an der Vereinigten Städelschule-Kunstgewerbeschule in Frankfurt am Main
1928 Große Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim
1930-1932 arbeitet überwiegend in Paris
1930 Teilnahme an der XVII. Biennale in Venedig
1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Entlassung aus dem Lehramt in Frankfurt und Ausstellungsverbot
1937 Diffamierung seiner Werke als ?entartete Kunst?, Entfernung und Beschlagnahmung zahlreicher Werke in deutschen Museen
Emigration nach Amsterdam
1938 Rede »Meine Theorie der Malerei« zur Eröffnung der »Exhibition of 20th-Century German Art« in London
1946/1947 Ablehnung von Berufungen an die Akademie der Bildenden Künste München und die Hochschule der Bildenden Künste Berlin
1947 Übersiedlung in die USA, nach New York und Saint Louis, Lehramt an der Washington University School of Fine Arts
1949 Professur an der Brooklyn Museum Art School in New York
1950 Ehrendoktorwürde der Washington University
stirbt in New York
Zwischen 1915 und 1923 etablierte Beckmann seine Leitmotive und lud sie mit genug Assoziationen und Anklängen auf, dass sie ihm als Ideenträger für die nächsten drei Jahrzehnte dienen konnten. Manche von diesen benutzte er als feststehende Hieroglyphen; andere, etwa Fisch und Katze, sind vollgültige Personen in seinem Großen Welttheater. Frau Battenbergs Katze Titti taucht harmlos 1915 auf, als Spielkätzchen, als mysteriöser Zeuge des närrischen Menschentreibens, als Raubdämon erscheint sie ständig aufs neue, bis sie schließlich in den späten Triptychen herumspukt. Beckmann bewahrte seinen Motiven die Treue. Plärrende Grammophontrichter, phantasievoll ausschwingende Musikinstrumente und banale Leierkästen liefern die Begleitmusik von 1920 bis 1950. Oft werden Kerzen dargestellt, und zwar jeweils eine stolz aufrecht brennende neben einer umgestürzten, die den Geist und die Flamme aufgegeben hat. Eine Leiter führt manchmal zum Dachboden, manchmal direkt in den Himmel. Masken verbergen rätselvoll manches Gesicht. Zu diesen modernen Leitmotiven kamen später noch einige romantische hinzu: Schwerter, Helme und Ritterrüstungen, Harfen, Speere und Marmorbüsten. Und damit war eigentlich Beckmanns Formensprache schon vollständig – und zeitlos.
Stephan Lackner
Beckmann, Näfels: Bonfini Press 1983

Nichts hasse ich so sehr wie Sentimentalität. Je stärker und intensiver mein Wille wird, die unsagbaren Dinge des Lebens festzuhalten, je schwerer und tiefer die Erschütterung über unser Dasein in mir brennt, um so verschlossener wird mein Mund, um so kälter mein Wille, dieses schaurig zuckende Monstrum von Vitalität zu packen und in glasklare scharfe Linien und Flächen einzusperren, niederzudrücken, zu erwürgen.
Max Beckmann
Ein Bekenntnis, in: Schöpferische Konfession, Berlin 1920