Peter Graf – Heilbutt, kalt geräuchert
Ausstellung | 23. April – 11. Juni 2016
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Rafael Barth
Düster und dürr wirkt das Leben im Albertinum. Menschen dunkler Hautfarbe hocken und bewegen sich in einer dunstigen Bierhöhle zur Musik von "George Lewis". Das Bild daneben zeigt ein Skelett auf einem zwielichtigen Fabelwesen, in der Hand eine verdorrte Sonnenblume. War das Dasein in Dresden so betrübt in den Fünfzigern und Sechzigern, als Peter Graf diese Szenen malte? Wohl ja. Nachdem die Kunsthochschule Berlin-Weißensee den widerspenstigen Graf hinausgeworfen hatte, schlug er sich durch als Lagerist, Lkw-Fahrer, Transportarbeiter. In diesen Jahrzehnten entstand die Kunst nebenbei. Was er und vier seiner Dresdner Freunde damals schufen, zeigt das Albertinum in einer kleinen Sonderschau. Oft sieht es dort aus, als habe jemand die Farbe, die Freude ausgesaugt.
Nun ist es nicht so, dass Peter Graf in der Zwischenzeit ins Lager der Luftikusse gewechselt wäre. Bis heute sind seine Bilder durchzogen von Melancholie, Zweifel, vielleicht auch Angst. Aber augenscheinlich hat der Maler, der 1937 in Crimmitschau zur Welt kam und heute in Radebeul lebt, mit der Reife auch Gelassenheit gewonnen. Ganz offensichtlich kann er der Unbill des Lebens immer wieder einen Witz abtrotzen.Die Bilder aus den letzten anderthalb Jahrzehnten, nun zu sehen in der Dresdner Galerie Himmel, strotzen vor solch intensiven Farben, dass einem fast blümerant wird. Das allein sagt nicht alles über die Stimmung, die der Künstler erzeugen will. So sieht man beispielsweise einen erschöpften Mann, der seinen Kopf auf der rechten Hand, den Arm auf der Tischplatte abstützt, vor ihm eine Kaffeetasse. Die Nase des Herren blüht rosa-violett, als habe er mehr getrunken, als gesund ist oder sich unvorteilhaft in eine Keilerei begeben. Die Szene gäbe anderen Künstlern Anlass zum Lamento. Wie aber nennt dieser hier sein Bild? "Espresso hilf!". Und schwupps, schon ist die gemalte Lethargie durch den Titel ein gutes Stück hinfortgelupft.
Peter Graf liebt solche Brüche. Auf seinen Bildern finden sich altbewährte Motive, eine Welt der Rippenheizkörper und Beistelltische, Kerzenleuchter, Uhren, Sensenmänner, Maler-und-Modell-Szenen. Man kann ihm aber nicht vorwerfen, dass er sich gänzlich ergehen würde in dieser Betulichkeit Dresdner Prägung. Die Stillleben zum Beispiel. Da kommt es vor, dass eine Plastik-Tablettenverpackung sich ins Blickfeld schiebt, was auch deshalb Reiz hat, weil die Bildoberfläche so schön teigig-rau ist. Und wer sonst, außer Graf, würdigt in Öl über Jahre hinweg Lötlampen und Fleischwölfe?
Dieser fingierte Realismus schlägt alsbald um ins Absurde und Surreale. Da haben die Bösen nichts mehr zu lachen. Bei einem Brandstifter-Paar fangen die eigenen Kittel Feuer, ätschibätsch. Ein Jäger liegt hilfeschreiend vor seiner anvisierten Beute, Titel: "1:0 für Hirsch". Man würde sich nicht wundern, kämen in diesen Vollmondmärchenwald gleich noch Häsel und Gretel plus Hexe hineingeschneit. Anderswo lässt Peter Graf Fische über den Himmel fliegen und ein Nashorn aufs Bett. Dass man seine Bilder als naiv bezeichnen kann, hat ihn nie gestört. Zu Recht.
"Wenn der Brandstifter Feuer fängt", Sächsische Zeitung, 20. Mai 2016