Ute Naue–Müller | Michael Hegewald – Fundstücke
Ausstellung | 2. Februar – 16. März 2019
Rundgang | Künstler | Vernissage | Einführung | Laudatio | Presse
Presse
Tomas Petzold
Mit ihrer aktuellen Ausstellung "Fundstücke" ist der Galerie Himmel wieder eine kleine optische Sensation gelungen. Auch dank des gewohnt geschickten, nicht zu dichten Arrangements klingen die 30 Arbeiten von Ute Naue-Müller und Michael Hegewald zusammen, als wären sie füreinander geschaffen. Auf den ersten Blick scheinen Hintergründe und Motivationen recht weit voneinander entfernt. Der Spannungsbogen zwischen Berlin (Hegewald *1955) und Dresden (Naue-Müller *1960) bleibt ebenso offen wie der zwischen akademischer Prägung und ausschließlich freier Tätigkeit. Ein Jahr nachdem Hegewald noch in der DDR sein Kunstdiplom erwarb, erhielt Naue-Müller das ihre an der TU Dresden, allerdings in Verfahrenstechnik. Als ihre drei Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, begann sie ein zweites Direktstudium an der TU, diesmal Germanistik/Kunsterziehung, und belegte für zwei Jahre parallel dazu Abendkurse an der Hochschule für Bildende Künste in Malerei und Grafik. In dieser Zeit arbeitete Hegewald als Dozent an einer Fachhochschule für Design.
Das Zusammenspiel von Malerei und Skulptur verspricht in jedem Fall eine größere Vielfalt von Sinneseindrücken. Ob es auch für mehr Erkenntnisgewinn oder einfach nur tieferes Erleben sorgt, lässt sich dagegen nicht so einfach beantworten. Was sich für Verkaufsgalerien im Sinne effektiver Raumnutzung geradezu aufdrängt, bietet sich auch für öffentliche Museen an, in denen es ja nicht zuletzt um kunsthistorische Zusammenhänge geht, die der Besucher dann eigenständiger erkunden und bewerten kann.
Aber eine gleichberechtigte Präsentation der Genres findet in der Praxis nur selten statt. Das Plastische dient zur Auflockerung der Monotonie flächenhafter Präsentation, gerät in Gefahr, lediglich als gefällige Dekoration wahrgenommen zu werden. Erst recht, wenn es sich "nur" um Keramik handelt, die zumindest im hiesigen Verständnis als Kunsthandwerk oder gelegentliche Spielwiese bedeutender Maler eher zweitrangig (ein-)geschätzt wird - während sie in den USA oder in Fernost einen viel höheren Stellenwert besitzt.
Umso bemerkenswerter, wie der Galerie diese Präsentation auf Augenhöhe gelungen ist. In einem solchen Dialog, hier schon einer Gesamt-Inszenierung, scheint die Wirkung der einzelnen Werke gesteigert. Allerdings beruht das vor allem auf Gemeinsamkeiten und Gleichklängen, und das kann der tiefgründigeren Beschäftigung auch im Wege stehen, weil das Auge zu oft zum Hin- und Herschweifen verlockt wird. Insofern stechen zwei, drei figürliche Arbeiten von Naue-Müller hervor, die zum Teil philosophierend in fantastische Formenwelten führen, wie die beiden für den diesjährigen Wettbewerb im deutschen Keramik-Pilgerort Höhr-Grenzhausen bestimmten Plastiken "Menschen brauchen Götter" und "Götter brauchen Menschen".
Es ist tatsächlich ein ganzer Kosmos, den sich die Künstlerin in nur eineinhalb Jahrzehnten mit einer geradezu umwerfenden Unbefangenheit und Kraft erschlossen hat. Dass dabei manches nicht nur skurril, sondern beinahe schon zu verspielt geriet, hat keine grundsätzliche Bedeutung und wird von anderen Arbeiten aufgewogen, die sich theoretisch, um nicht zu sagen wissenschaftlich fundierte Formen und Strukturen auszeichnen - wie etwa eine ungewiss wabernde "Amöbe chaos chaos" oder eine streng geformte filigrane "Bauhaussequenz mit Verunreinigungen". Die von der Galerie getroffene Wahl war auf architekturhistorische Werke gezielt und zugleich von Zufällen bestimmt, weil die Künstlerin kaum dazu kommt, Werke zu archivieren.
Ute Naue-Müller machte mit ihren Rakubrand-Arbeiten, deren Technologie sie sich weitgehend autodidaktisch angeeignet hatte, auf Anhieb Furore. Auf den großen Keramikmärkten war sie oft nach einem Tag ausverkauft, aber inzwischen macht sie sich da ziemlich rar. Den Rakubrand im Freien praktiziert sie noch gelegentlich. Der Umgang mit den glühenden Stücken ist schwer, in doppeltem Sinne unwägbar und riskant. Jetzt bemalt sie ihre Stücke meist mit Engoben, die Ergebnisse sind durchaus ähnlich, aber trotz entsprechender Experimentierfreude kalkulierbarer. Die Objekte stammen häufig von klassischen Gefäßen ab, zumal Vasen, haben sich aber vom Zweck emanzipiert zu körperhaften Skulpturen, Architekturen, grafischen Objekten, mehr oder weniger abstrakten Gemälden, die in orientalisch anmutenden Farben erstrahlen.
Etliche kamen geradezu frisch aus dem Ofen in die Ausstellung, Naue-Müller hat sogar nach Ansicht der Arbeiten ihres Ausstellungspartners noch ein "Zustandspaar" geschaffen, Doppelnaturen, die eine ganz eigene Persönlichkeit ausstrahlen und zugleich Formen und Farbakkorde von Hegewalds Gemälde "Camping" aufnehmen, als wären sie die zweite Stimme zu einem Lied.
Michael Hegewalds Bilder zeigen auf den ersten Blick Landschaften, Strände zumeist mit einem dunklen Meer dahinter und bleichen Himmeln darüber, horizontweite Ausblicke über abstrahierte, stilisierte, verfremdete Objekte, die mal an archaische, mal an temporäre Architektur erinnern, sich aber dann womöglich als Torten- oder Käsestücke erweisen. Das große Thema heißt Frühstück am Strand. Es hinterlässt Stillleben in abstrahierten Topographien, zwischen Trinkgläsern, Peitschenleuchten und Palmen. Kein Mensch sichtbar, aber die Plätze sind noch warm von seiner Gegenwart. Stillleben also mit kulinarischen Landschaften als Kulisse.
Die Farben erscheinen magisch entrückt, zugleich reduziert, gelegentlich auf fast reines Schwarz-Weiß. Mineralisch wirken die fein gearbeiteten Bildoberflächen, fast wie gesinterte Engoben. Hegewald feiert den deutschen Mythos Italien, aber wie er das tut, ist es auch ein wenig rätselhaft oder hintersinnig, und wenn dieser Geist oder diese Sehnsucht nach schlichter Größe auch mal in einem "Berliner Frühstück" anklingt, dann muss das nicht verwundern. Die Gebäude auf einer Klippe bei Gomera oder die Häuser einer Via Solferino sind eigenwillige Skulpturen, hier von der Sonne überstrahlt, da in Zonen gleißenden Lichts und tiefer Schatten geschieden. Dabei wirkt das Ganze auch irgendwie künstlich, wie in Beton gegossen, mit rauen, jegliches gewollte Ornament abweisenden Oberflächen.
"Berückend inszenierter Einklang", Dresdner Neueste Nachrichten, 5. März 2019