Hubertus Giebe -
Zwei Männer in Betrachtung des Mondes
Ausstellung | 12. Mai - 30. Juni 2012
Einführung
„Meine Bilder beschäftigen sich fast ausschließlich mit dem Menschen und seinen Beziehungsgeflechten. Daher auch mein Interesse an Literatur, an Poesie, an Film und Presse – am bunten Welttheater.“ Mit diesen Worten formulierte 1984 der junge Maler, Graphiker und Zeichner Hubertus Giebe das Credo seines Schaffensdrangs, der von Anfang an die Existenzproblematik des Menschen und seiner Lebenssphären zum zentralen Gegenstand einer ausdrucksbetonten Gestaltung werden ließ.
Die bedingungslose Reibung an Wirklichkeit in all ihren realen und imaginären Zusammenhängen bildete für den Dresdner Künstler den ihn ständig treibenden Impuls, der zu einer ausgesprochen expressiven Form- und Farbsprache führte, die nicht zuletzt durch seine Meisterschülerzeit bei Bernhard Heisig eine nachhaltige Stützung erhielt. Waren es zunächst neben frühen Stadtlandschaften vor allem Porträts, Akte und Schaufensterpuppen, die zuweilen ins Ekstatische gesteigert wurden, so traten seit den späten 1970er Jahren, befördert durch graphische Blätter zu Günter Grass' „Blechtrommel“, die „Geschichtsbilder“ als ein wesentlicher Motivkreis seiner Arbeit hinzu.
In der Form einer komprimierenden Verfremdung inszeniert, ermöglichten ihm diese montageartigen Bildgefüge, komplexe gesellschaftliche Vorgänge in geballte Figurenkonstellationen umzugießen, wuchtige Sinnbilder für nur bedingt wahrnehmbare Kräfteverhältnisse zu finden und damit sowohl sein bildnerisches Ausdrucksverlangen als auch seine intellektuelle Erkenntnissuche in bedrängenden, vital aufgeladenen Zeitzeichen zu vereinen.
Die Pforten des „Welttheaters“, das einst von Max Beckmann und Oskar Kokoschka bespielt wurde, hat sich Hubertus Giebe so neu erschlossen. Seine Gestaltwelten, die das Erbe des politisch engagierten Expressionismus, beispielsweise der frühen Holzschnitte von Conrad Felixmüller oder der sozialkritischen Arbeiten von Otto Dix, nicht verhehlen, hob er zugleich in neue Dimensionen hinein: Die dicht gestaffelte Simultaneität, eine gleichsam mittelalterlich-naive Bedeutungsperspektive, harte kubische Brechungen, vor allem aber die strikte Gegenläufigkeit der figurativen Ausrichtungen sowie der Kontrast zwischen aggressiver Dynamik und zwanghafter Erstarrung lassen diese schrillen Momentaufnahmen des Hintergründigen zu bohrenden Pathosformeln werden.
Die stärksten Werke dieses Themenbereiches gehören zweifellos zu den Höhepunkten seines Schaffens – so etwa „Der Widerstand – für Peter Weiss (III)“ von 1986/1987, das von der Nationalgalerie Berlin (Ost) 1987 erworben und in der ersten gemeinsamen Hängung der vereinten Nationalgalerien 1993 im Mies van der Rohe-Bau gezeigt wurde. Auch die beiden hier zu sehenden Gemälde „Der Schausteller“ von 1992 und „Die Mauer“, 2004 entstanden, vermitteln diese eruptive Spannkraft von Aufbruch und Zerstörung, die in allen Arbeiten des Künstlers am Wirken ist.
Dr. Fritz Jacobi
Kunsthistoriker, Berlin